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Craniosacral Therapie und Dopamin – die Kunst der inneren Balance

  • Autorenbild: Judith Wüthrich
    Judith Wüthrich
  • 27. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Juni

Ein Neurotransmitter zwischen Antrieb und Erschöpfung

Dopamin ist ein zentraler Neurotransmitter im menschlichen Gehirn, der an zahlreichen psychischen und körperlichen Prozessen beteiligt ist. Oft wird er als „Glückshormon“ bezeichnet, doch diese Beschreibung greift zu kurz. In der Neurowissenschaft gilt Dopamin vor allem als Botenstoff des Antriebs und der Erwartung. Es motiviert uns, Ziele zu verfolgen, belohnt Verhalten, das auf Belohnung ausgerichtet ist, und verstärkt dadurch bestimmte Handlungs- und Denkmuster.

Besonders spannend ist dabei, dass Dopamin seine stärkste Wirkung nicht beim Eintreten der Belohnung entfaltet, sondern bereits in der Phase der Erwartung. Es wird ausgeschüttet, wenn wir eine angenehme Erfahrung vorausahnen – sei es ein Gespräch, ein Erfolgserlebnis, ein sozialer Kontakt oder ein Konsumreiz. Diese antizipatorische Wirkung erklärt, warum Dopamin so stark mit Suchtmechanismen, Motivationsverhalten und psychischer Belastung verbunden ist.

Neuere Studien zeigen, dass ein dauerhaft überaktiviertes dopaminerges System – etwa durch permanente Reizüberflutung, Multitasking oder ständige Verfügbarkeit – langfristig zu Erschöpfungszuständen führen kann. Der Antrieb wird dabei nicht nur ineffektiv, sondern kippt ins Gegenteil: In Motivationslosigkeit, Reizbarkeit, innere Leere oder depressive Verstimmungen. Das System, das ursprünglich für Vitalität und Orientierung sorgt, wird zur Quelle von Dysregulation.


In diesem Spannungsfeld zwischen Antrieb und Erschöpfung spielt Dopamin eine Schlüsselrolle in unserer modernen Lebensweise – als biologisches Bindeglied zwischen Verhalten, Umwelt und innerer Balance.


Die moderne Überstimulation des Dopaminsystems

In unserer heutigen Lebenswelt ist das dopaminerge System nahezu pausenlos aktiv. Digitale Technologien liefern jederzeit neue Reize – Likes, Nachrichten, Updates, visuelle Impulse. Doch es sind nicht nur die Bildschirme, die unser Belohnungssystem fordern. Auch der gesellschaftliche Fokus auf Effizienz, Selbstoptimierung und ständige Verfügbarkeit wirkt wie ein permanenter Stimulus auf unser Gehirn.

Das Streben nach Kontrolle über Körper, Leistung und Emotionen – etwa durch optimierte Ernährung, Schlaftracking, Zeitmanagement oder "produktive" Freizeitgestaltung – sorgt dafür, dass das Dopaminsystem kaum noch in Ruhephasen gelangt. Die ständige Suche nach Verbesserung erzeugt eine Art Dauer-Erwartung: Immer ist da das Nächste, das Bessere, das Schnellere.

Diese chronische Überaktivierung führt langfristig zu einer Form der inneren Erschöpfung. Die Reizschwelle steigt, einfache Dinge verlieren an Bedeutung, der Zugang zu echten Empfindungen wird schwieriger. Viele Menschen erleben dadurch Symptome wie Nervosität, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit oder eine diffuse innere Leere – trotz äusserlich erfolgreicher Lebensführung.

Neurobiologisch betrachtet gerät das fein austarierte Zusammenspiel zwischen Belohnung, Motivation und Regulation aus dem Gleichgewicht. Was dem Organismus eigentlich Orientierung und Richtung geben soll, wird zur Quelle von Unruhe und Instabilität. Umso wichtiger wird es, Räume zu schaffen, in denen dieses System entlastet und neu reguliert werden kann.


Regulation beginnt im Körper

In meiner therapeutischen Arbeit erlebe ich immer wieder, wie eng unser emotionales Erleben mit dem Zustand des autonomen Nervensystems verknüpft ist. Viele Klientinnen und Klienten berichten von einer inneren Anspannung, die kaum noch nachlässt – einem Gefühl, dauerhaft unter Druck zu stehen, ohne echte Ruhe zu finden.


Gerade in solchen Situationen zeigt sich, wie wirksam die Craniosacral Therapie als regulierende Begleitung sein kann. Durch die achtsame, subtile Berührung entsteht ein Raum, in dem das Nervensystem zur Ruhe kommen darf. Im Zentrum steht dabei die Aktivierung des Parasympathikus – jenes Anteils des autonomen Nervensystems, der für Erholung, Verdauung und Regeneration zuständig ist.



Ich beobachte häufig, wie sich in einer Sitzung Atemrhythmus und Muskeltonus verändern, wie sich das Gesicht entspannt, der gesamte Körper in einen Zustand tieferer Regulation findet. Diese Entspannung ist weit mehr als ein angenehmes Empfinden – sie wirkt stabilisierend auf das innere Gleichgewicht und unterstützt die Wiederherstellung neurobiologischer Balance.

Gerade das dopaminerge System, das stark auf Aktivität, Erwartung und Reiz reagiert, profitiert von dieser Entschleunigung. In der therapeutischen Ruhe beginnt sich die innere Antriebsschleife zu beruhigen. Die ständige Reizsuche verliert an Bedeutung, während sich das Bewusstsein für innere Zustände und leise Empfindungen vertieft.

So entsteht wieder Raum für Selbstwahrnehmung, für echte Freude und für das Gefühl, im eigenen Körper präsent zu sein – ohne äussere Stimulation. Ein wertvoller Prozess, gerade in einer Zeit, die durch ständige Aktivierung geprägt ist.


Vertiefende Impulse

Für alle, die sich vertieft mit den neurobiologischen, gesellschaftlichen und persönlichen Dimensionen des Dopaminsystems auseinandersetzen möchten, empfehle ich zwei spannende Beiträge:


Podcast: „Dopamin – Belohnung, Sucht, Depression“ aus der Reihe Radiowissen von Bayern 2. Diese Episode bietet einen fundierten Einblick in die Wirkweise von Dopamin – von evolutionären Grundlagen bis hin zu aktuellen Erkenntnissen aus der Sucht- und Emotionsforschung. Hörenswert für alle, die neurobiologische Zusammenhänge besser verstehen möchten.→ Zur Folge auf Spotify


Buch: „Dopamin Nation“ von Dr. Anna Lembke. Die amerikanische Psychiaterin und Suchtforscherin beschreibt eindringlich, wie unsere moderne Lebensweise ein suchtähnliches Verhalten fördert – und wie bewusste Regulation, Verzicht und körperliche Selbstwahrnehmung Wege zurück in die Balance eröffnen. Ein spannendes Plädoyer für Eigenverantwortung in einer überreizten Welt.


Dopamin steuert unser Verlangen, unsere Motivation – aber auch unsere Erschöpfung. In einer Welt voller Reize und Leistungsdruck gerät dieses System leicht aus dem Gleichgewicht. Die Craniosacral Therapie bietet einen sanften Weg, um das Nervensystem zu beruhigen und innere Balance wiederzufinden. Sie stärkt die Selbstwahrnehmung, fördert echte Regeneration und hilft, aus dem ständigen Reiz-Kreislauf auszusteigen – ein wertvoller Impuls für mehr Ruhe, Präsenz und Gesundheit im Alltag.

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